Rede zur Landtagssitzung am 24. Februar 2023, Top 33 - Situation der Kulturinstitutionen
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
egal wen ich aus der Kulturszene grade treffe, in Clubs, Kinos, Theatern, soziokulturellen Zentren oder Erinnerungsorten. Ob ich mit Festival- oder Ausstellungsmacher*innen spreche oder mit den VHS-Leitungen. Die Gespräche verlaufen überall ähnlich: Immer noch weniger Publikum und weniger Nachfrage als vor der Pandemie.
Wir alle haben uns während der Pandemie nach „Normalität“ gesehnt. Danach, endlich wieder ins Kino oder ins Theater zu gehen, in Clubs zu tanzen, oder uns im Museum eine Ausstellung anzusehen. Wir alle haben uns danach gesehnt, das kulturelle Leben wieder in vollen Zügen genießen zu können.
Und an dieser Stelle möchte ich einmal allen Künstler*innen und den Kultureinrichtungen danken, dass sie es - meist mit sehr viel Engagement, langem Atem und Herzblut - durch diese schwierige Zeit geschafft haben.
Auch Ihnen wird es beim letzten Konzert- oder Kinobesuch aufgefallen sein: Die Reihen bleiben immer noch leer. Gewohnheiten haben sich verändert, manchem fehlt das Geld für Eintrittskarten, Getränke, Anreise – besonders jungen Menschen oder Senior*innen.
Und statt Hygienemaßnahmen sind es nun Energiesparmaßnahmen, die es der Branche schwer machen. Und Sie haben natürlich recht, wenn Sie jetzt denken: Das geht uns als Privatpersonen oder Menschen in anderen Branchen auch nicht anders.
Warum also braucht der Kultursektor unsere besondere Unterstützung? Weil Theater, Bibliotheken oder Erinnerungsorte ohne öffentliche Mittel auch vor der Pandemie nicht überleben konnten. Kulturförderung folgt einer anderen Logik als der Wirtschaftlichkeit. Kultur ist Teil der Daseinsvorsorge und muss entsprechend behandelt werden.
Kultur- und Kreativwirtschaft, kulturelle Bildung und Soziokultur leisten einen wichtigen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft, zu gesellschaftlicher Transformation, im Bereich der sozialen Arbeit und des Zusammenhalts, aber auch bei der Umsetzung von Energiewende und Klimaschutz: Kinos und Theater schalten nachts ihre Außenbeleuchtung ab, Museen passen ihre Raumtemperatur an, Archäologie und Denkmalschutz setzen sich mit PV-Anlagen und Wiedervernässung von Mooren auseinander, Festivals, Clubs und Bibliotheken beschäftigen sich mit Fragen von Nachhaltigkeit und Digitalität und schaffen Orte für Begegnungen.
Filme, die auf dem Greenscreen-Festival gezeigt werden, ein Musical wie „Die Schimmelreiterin“ oder die „Liebeserklärung an den Norden“ im Poetry-Slam von Mona Harry haben gemeinsam, dass sie uns auf einer Ebene ansprechen, wie es nur Kunst und Kultur können.
Und genau deshalb hat die Kultur eine so herausragende Bedeutung für uns und braucht bei der Bewältigung der Energiekrise unsere Unterstützung. Der Bund stellt hierfür mit seinem Kulturfonds Energie für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 eine Milliarde Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond bereit. Allerdings richtet sich diese Förderung in erster Linie an private Kulturorte, Einrichtungen der kulturellen Bildung und Kulturveranstalter*innen.
Bildungseinrichtungen wie die Volkshochschulen sind nicht antragsberechtigt, öffentlich geförderte, private Kultureinrichtungen erhalten nur Teilbeträge des Mehrbedarfs. Aber gerade diese können ihre Mehrkosten meist nicht weitergeben, denn grade dort geht es um Menschen, die selbst unter der Krise leiden.
Darum wollen wir mit dem bereits auf den Weg gebrachten Härtefallfonds des Landes aus dem 8-Punkte-Entlastungspaket diese Lücken schließen und bitten die Landesregierung, hierfür ein unkompliziertes Antragsverfahren auf den Weg zu bringen, um die Kulturinstitutionen zu unterstützen, die nicht oder nicht ausreichend in der Bundesförderung berücksichtigt werden.
Dabei dürfen wir nicht nur an die großen Institutionen denken, sondern auch an die freiberuflichen Kulturschaffenden, die unter Energiekostensteigerungen für ihre kleinen Ateliers, Werkstätten oder Übungsräume leiden, also an die Soloselbstständigen, die viel zu oft leer ausgegangen sind.
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, kulturelle Vielfalt in Schleswig-Holstein in der gesamten Fläche zu erhalten und Teilhabe an Kultur zu ermöglichen. „Normalität“ werden wir auch mit diesen Hilfen nicht erreichen, aber wir können damit helfen, dass sich die Branche auf eine neue Normalität einstellen und so langsam wieder erholen kann.
Kultur braucht unsere Unterstützung, weil wir die Kultur brauchen.