Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
über das, was am 30. Dezember vergangenen Jahres auf Sylt passiert ist, sind viele von uns empört. Ich glaube auch diejenigen unter uns, die sich sonst herzlich wenig für den Denkmalschutz interessieren. Der Fall hat viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt: Zwischen Weihnachten und Neujahr, am Tag vor Silvester, hörten die Nachbarn auf einmal Bagger, die sofort mit ihrer Arbeit begannen und ohne Abrissgenehmigung den 370 Jahre alten Gasthof im Ortskern von List in kurzer Zeit zerstörten, unter den Augen von Nachbar*innen, Bürgermeister und auch einiger Gemeindevertreter*innen. Das Gebäude unterlag der Erhaltungssatzung.
Einige von uns dürften den „Alten Gasthof“ auch noch selbst kennen, er war immerhin 200 Jahre, seit etwa 1820, durchgehend als Gasthof in Betrieb. Er gehörte zum Ortsbild und war für viele Menschen ein Teil ihrer Familiengeschichte: Konfirmationen und Hochzeiten wurden dort gefeiert und auch zu Biike traf man sich hier. Dass sich der Bürgermeister nun bei dem Investor dafür einsetzen möchte, dass der Neubau ähnlich aussieht wie der „Alte Gasthof“ ist für viele kein Trost, ebenso wenig wie die Geldbuße, die auf den Investor zukommt: Die Strafe liegt, wie so oft, weit unter dem Grundstückswert, das wird von Investoren sehr gerne hingenommen.
Liebe Kolleg*innen,
jede und jeder von uns kennt historische Gebäude mit identitätsstiftendem Charakter aus der eigenen Umgebung: Eine alte Schule, ein mit Reet gedecktes Bauernhaus, eine besondere Brücke oder bei mir im Kreis sogar eine Fähre über den Elbe-Lübeck-Kanal im schönen Siebeneichen. Diese Seilzugfähre aus dem Jahr 1900 ist eine historische Sehenswürdigkeit und besonders beliebt bei den vielen Fahrradtourist*innen im Sommer. Aus Respekt vor dem Denkmalschutz und Dank besonders viel ehrenamtlichem Engagement ist sie bis heute an dieser Stelle, wo es weit und breit keine Brücke gibt, im Einsatz.
Wir sind in Schleswig-Holstein gesegnet mit unzähligen solcher Kultur- und Bodendenkmale, die seit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes in Schleswig-Holstein 2015 neu bewertet und inventarisiert werden. Durch die Umstellung auf das vereinfachte sogenannte „deklaratorische Prinzip“ - jedes Denkmal, das die im Gesetz definierten Bedingungen erfüllt, steht automatisch unter Schutz - bleibt damit trotzdem immer noch so viel Arbeit, dass das Landesamt für Denkmalpflege mit der Inventarisation nur langsam vorankommt.
Es braucht dafür ausreichend Personal mit entsprechender Expertise, das erkennen kann, welche besonderen historischen, wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen, städtebaulichen oder die Kulturlandschaft prägenden Werte vorliegen.
Deutlich wurde bei der 176. Sitzung des Landesdenkmalrates Anfang dieser Woche noch einmal: Es mangelt nicht an einer guten gesetzlichen Regelung, sondern an deren Umsetzung. Wir haben in Schleswig-Holstein eines der modernsten Denkmalschutzgesetze, das Modellcharakter für ganz Deutschland hat.
Die vom SSW benannte Regelungslücke besteht so, laut Expert*innenmeinungen, nicht. Entscheidend sind dagegen untergesetzliche Ausführungsbestimmungen und eine angemessene personelle Ausstattung.
Aus diesem Grund haben wir die Idee einer „Servicestelle Denkmalrecht“ bereits in unseren Koalitionsvertrag aufgenommen und stoßen mit der Neueinrichtung dieser Struktur im Landesamt die konkrete Umsetzung schon im ersten Jahr dieser Legislaturperiode an. Außerdem braucht es gut ausgestattete Denkmalschutzbehörden vor Ort, die für den Schutz und die Pflege dieser Denkmale im engen Kontakt mit Eigentümer*innen und Nutzer*innen stehen.
Fachkundige Beratung über mögliche Unterstützung bei Betrieb und Erhalt sowie gute Öffentlichkeitsarbeit kommen letztlich jedem einzelnen Denkmal zugute. Auch hier kann und soll die Servicestelle helfen und außerdem noch für gute Aus-, Fort- und Weiterbildung sorgen.
Neue, zukunftsweisende Pilotprojekte zur Vereinbarkeit von Klima- und Denkmalschutz können erst durch gut ausgestattete Landesämter angegangen werden. Ebenso wie viele Bauvorhaben oder auch die Wiedervernässung von Mooren bei der Prüfung der Flächen.
Ich bin davon überzeugt: Eine optimale Umsetzung des Denkmalschutzes in Schleswig-Holstein ist unser aller Anliegen. Lassen Sie uns daher gemeinsam mit Expert*innen im Ausschuss darüber beraten, wie dies gelingen kann, um derartige Tragödien wie in List auf Sylt zukünftig zu verhindern.
Vielen Dank!